Der Legende nach soll Leonardo auf die Frage, wie er mit Hammer und Meißel aus dem Steinblock einen Löwen schuf, geantwortet haben: «Ich schlage einfach alles weg, was nicht nach Löwe aussieht.» Das ist bei einem großen Block ziemlich viel Stein und ein Kernproblem aller subtraktiven Verfahren: Es fällt viel Material ab. Außerdem kann man aus dem Inneren nichts wegschlagen, zum Beispiel um eine hohle Kugel herzustellen. Man kann höchstens zwei Kugelhälften produzieren und später zusammenfügen. Es bleibt jedoch immer die Naht – und entweder viel Abfall durch Subtraktion oder das aufwändige Erstellen von Gussformen, das sich wiederum nur für große Stückzahlen lohnt.
Von unten nach oben
Aus einem Guss additiv, ohne Mindeststückzahlen (also hoch individualisierbar) zu produzieren und dabei noch Transportwege durch lokale Produktion zu sparen, ist seit einiger Zeit möglich: mit dem 3D-Druck-Verfahren. Schicht um Schicht entsteht von einem Laser- oder einem Elektronenstrahl gesteuert ein Gegenstand on demand von unten nach oben, meist aus einem Kunststoff. Aber auch Keramikdruck und ganz andere Materialien sind möglich, sogar komplette Kleidungsstücke. Ein bekannter Pastaproduzent entwickelt gerade ein Verfahren, um individualisierte Nudeln zu drucken – Industrie 4.0 zum Reinbeißen.
Drei Dimensionen mit Zukunft
Gerade für Einzelteile von Prototypen bietet sich das 3D-Druck-Verfahren an und für Ersatzteile. Letztere auch für Menschen: Es ist bereits gelungen, eine höchst filigrane Prothese aus Titan zu drucken, die einem Patienten mit komplizierter Splitterfraktur das Bein gerettet hat. Auch organische Strukturen, die Teile von defekten Herzklappen ersetzen können, kommen schon aus dem Drucker. Die Einsatzmöglichkeiten sind noch gar nicht alle erkundet.
Vielfalt und Qualität
3D-Druck als Ganzes hat zwar die Prototyp-Phase hinter sich gelassen, aber reift erst Schritt für Schritt zum technischen Rückgrat für E-Manufacturing heran. Die Sohlen der Kinderschuhe, in denen die Technologie noch immer steckt, sind wenigstens schon mal ausdruckbar. Nicht nur bei der Designvielfalt, auch in puncto Haltbarkeit und Qualität des Materials sind 3D ausgedruckte Gegenstände ihren herkömmlich produzierten Dinggenossen heute zum Teil sogar schon überlegen.
[Oktober 2015]