Das Kochen eines Drei-Gänge-Menüs frisst Zeit. Wenn Zeit oder Kochlust fehlt, gibt es bei Appetit zwei Optionen: Essen bestellen oder ins Restaurant gehen. Pizza übersteht den Transport, aber für mehrere Gänge ist die Heimlieferung nicht geeignet. Und im Restaurant isst man nicht zu Hause – der Eigne-vier-Wände-Faktor fehlt. Für Heimgourmets hat das Genfer Startup Qozy daher ein Angebot entwickelt: Qozy schickt einen Profikoch mitsamt Zutaten und Putzlappen zu Kunden in Berlin, Genf und Mailand nach Hause. London, Paris, Zürich und Städte wie Hamburg, Köln und München werden folgen.
Unternehmertum als Lebenslauf
Gründer Stephane Berdugo war 22, als er und sein Bruder das Immobiliengeschäft ihrer Eltern in Genf übernahmen. Später mache er noch seinen Master im Immobilienwesen und gründete seinen eigenen Immobilienfonds. Doch Häuser sind immobil und Stephane suchte eine dynamischere Art von Unternehmertum. Er wollte etwas Neues schaffen.
Start in Berlin
2013 ging Stephane nach Berlin – in eine Stadt, die er für die beste Ort in Europa hält, um ein Unternehmen zu gründen: überall junge und aufgeschlossene Menschen; auch die Lebenshaltungskosten sind noch vergleichsweise gering. Und weil sich Menschen nicht nur virtuell, sondern lieber in echt treffen und sich gerne auch die Kosten teilen – all das brachte Stephane auf die Idee seines ersten sozialen Netzwerks: Dort konnten sich Leute zum Zu-Hause-Kochen verabreden und gleich auch die Kosten der Lebensmittel untereinander aufteilen – mit Spareffekt für jeden Einzelnen. Aber wie so oft, war die Theorie der Praxis unterlegen: Die meisten User wollten nur an Kochsessions bei anderen teilnehmen, aber selbst keine zu Hause veranstalten.
Lean Startup mit Home-Dinner-Konzept
Stephane passte sein Geschäftskonzept dem städtischen Speiseverhalten an und hob Qozy aus der Taufe: drei köstliche Gänge, die ein Profikoch in den Küchen der Kunden zubereitet und serviert – Abwasch inklusive. Während mehrerer Wochenend- und Nachtschichten entstand ein perfekt schlanker Ansatz: schnell den Markt durchdringen und Live-Feedback der Kunden einarbeiten. Dabei immer auf den Cashflow achten – daher bezahlen die Kunden im Voraus.
Unkompliziertes im Angebot
Für ein bis sieben Personen entsendet Qozy einen Koch, der auch als Kellner dient und später klar Schiff in der Küche macht. Bei acht oder mehr Personen assistiert ein Kellner dem Koch. Kunden können ihr Home Dinner bis mittags für denselben Abend buchen. Das 3-Gänge-Menü kostet pro Person rund 35 Euro – weniger als drei Gänge in einem gehobenen Restaurant. Unkompliziert ist das Angebot immer: Das komplette kulinarische Abendprogramm ist schnell zusammengeklickt.
Teamstruktur
Qozy finanziert sich selbst. Das Team besteht aus CEO Stephane und einem aktiven Investor und Berater, der im Hintergrund bleibt. Der dritte Partner ist Produktmanager Stefano. Er stieg später als Mitgründer ein, gegen Bares erwarb er Aktien. Das Entwicklungsteam besteht aus drei Teilzeitkräften, die sich um Technologie und Web-Design kümmern.
Intelligentes Geld
Stephane hat einige Kontakte in die Tech-Szene und sprach mit etlichen Business Angels und einigen VCs. Wichtig war es jedes Mal, über einen direkten Kontakt Zugang zu den Investoren zu bekommen. Qozy bekam etwa 15 bis 20 solcher Kontakte vermittelt. Stephane erzählt, dass Business Angels und VCs in erster Linie auf Team und Traktion achten: dynamisches Wachstum, getrieben von einem starken Team. Stephane suchte auch gezielt intelligentes Geld von europäischen BAs und VCs, die den Markt gut kennen, den Qozy aufmischen will.
Lean Sourcing – Synergien mit der Offline-Welt
Stephane ist ein erfahrener Unternehmer, aber kein Gastronom. Deshalb hat er sich mit einer in Genf ansässigen Gastronomie-Unternehmerfamilie zusammengetan, die mehrere Restaurants der gehobenen Klasse führt und den Markt (sowie alle Wochenmärkte in Genf) bestens kennt. Dieser Ansatz dient als Modell für andere Städte: Qozy funktioniert wie ein dezentrales Restaurant, indem es die Infrastruktur und das gastronomische Wissen von etablierten lokalen Restaurants nutzt. Auf diese Weise können die Partner-Restaurants ihre Infrastruktur besser auslasten und auch an Tagen oder zu Tageszeiten Geld erwirtschaften, wo sie sonst geschlossen oder nur wenig zu tun hätten. Im Gegenzug erhält Qozy Zugang zu bewährten Lieferketten und komplett ausgestatteten Küchen. Dort werden die Menüs vorbereitet und Qozy-Köche intern geschult – ohne dafür in Räume und Ausstattung investieren zu müssen.
Lean Marketing
Weil Google-Anzeigen nicht die erhoffte Anzahl Neukunden einbrachten, entschied sich Stephane, auch beim Marketing auf Partnerschaften zu setzen. Ein Beispiel: Qozy geht auf große Unternehmen zu und bietet ihren Mitarbeitenden Rabatte auf das erste Home Dinner – oder für ein Teambuilding-Event. Aber auch die erste Medienpartnerschaft war ein voller Erfolg: Stephane bot den Machern des «I heart Berlin»-Blogs eine gemeinsame Aktion an. Die Macher des Blogs luden daraufhin ihre Leser zum ermäßigten Qozy Dinner in den eigenen Redaktionsräumen ein – Meet & Greet hinter den Kulissen. Natürlich hat der Blog auch ausführlich über den Event berichtet.
Alles schön lean
Das kostenlose Nutzen vorhandener Marktkräfte (und dabei höchstens Rabatte gewähren) anstelle von massiven Werbe-Ausgaben ist das, was Buildership den Lean-Sailing-Ansatz nennt. Dieser ist ideal für alle Bootstrapping-Unternehmer und erfordert einen guten Draht zu (potenziellen) Kunden – dafür ist die Marktforschung gratis. Lean kann auch das Eingehen von Partnerschaften mit bereits etablierten Unternehmen bedeuten, um deren Infrastruktur zu mieten, anstatt mit hohen Investitionskosten unnötige Risiken einzugehen. Partnerschaften mit Medien, deren Zielgruppe dem eigenen Kundenprofil entspricht, spart Marketingausgaben. Und für kulinarische Unternehmen ist natürlich die Mund-zu-Mund-Propaganda besonders wichtig.
[März 2015, Bildnachweis © Qozy]