Florian Reichle traf 2005 an der FU Berlin auf einen «sympathischen komischen Vogel», wie er sagt, der schon am Gründen war, als kaum jemand in Deutschland Entrepreneurship buchstabieren konnte. Der Mann hatte ganz zentral in der Friedrichstraße ein dafür umso kleineres Büro, in dem er anfangs sogar wohnte, um sich die edle Firmenadresse leisten zu können. Das zahlte sich aus: Ehssan Dariani gründete StudiVZ, das soziale Netzwerk, das zunächst in Deutschland erfolgreicher war als Facebook. Florian erzählt, dass damals der unternehmerische Funke von Dariani auf ihn übersprang.
Druck machen
Im universitären Umfeld lernte Betriebswirt Florian auch seine beiden Mitgründer Marlene Vogel (Technische Geschäftsführerin) und Gunnar Schulze (CTO) kennen, die beide «irgendwas abgefahrenes mit 3D-drucken» machten und in den Bereichen Atomphysik sowie Molekular- und Oberflächenphysik promovierten. Erst fanden sie gemeinsame Wertvorstellungen, dann Unterstützung durch die Exist-Förderung und schließlich einen Weg, Forschung und Unternehmertum gewinnbringend zu vereinen: akademisches Know-how plus öffentliche Forschungsgelder (sogenannte Drittmittel), um einen Teil der Entwicklungsarbeit zu finanzieren.
Eine Hand wäscht die andere
Auch das Land Brandenburg unterstützt trinckle 3D, dafür zahlt die Firma künftig Gewerbesteuer und schafft Arbeitsplätze in Hennigsdorf nördlich von Berlin. In einem sonnendurchfluteten Loft eines Backsteingebäudes mit großer Küche und viel Holz arbeiten die drei Gründer mit ihrem insgesamt neunköpfigen Team an der Zukunft des Gegenständlichen. Und mittags kochen sie oft gemeinsam. Eine Nominierung für den DLD Award gab es auch schon.
Geschäftsmodell
trinckle baut selbst keine 3D-Drucker, sondern programmiert und vertreibt hauptsächlich Software, die 3D-Druck möglichst problemlos ermöglicht. Denn das Problem von vielen Dateien mit 3D-Druckdaten ist, dass sie nicht ausdruckbar sind. Sie enthalten geometrische Fehler oder sind nicht vom Drucker herstellbar, da beispielsweise einzelne Elemente zu dünn werden. Wo früher noch aufwändiges manuelles Prüfen und Anpassen nötig war, bietet trinckle nun automatisierte (und damit skalierbare) Lösungen für das Aufbereiten der Dateien an, damit schnell und zuverlässig aus Daten Dinge werden können. Das Drucken an sich findet dann über die trinckle-Cloud statt, an die die verschiedensten Dienstleister angeschlossen sind.
Darüber hinaus macht trinckle 3D eine eigens entwickelte CAD-Engine zur dreidimensionalen Contentmaschine: Grunddesign laden (zum Beispiel eine Tasse), anpassen (Größe, Farbe, Form oder Gravur) und ausdrucken. Aber auch komplexe Gebilde sind möglich, wie etwa kleine Zahnrad-Getriebe, die mit Software von trinckle ohne eigenes Know-how spielend leicht generiert werden können.
Pioniere mit Zukunft
Weil trinckle zu den Pionieren in Deutschland gehört, beliefert das Startup heute schon verschiedenste Unternehmen mit 3D-Druckdienstleistungen und Basissoftware. Im B2C-Bereich zahlt sich das frühe Renommee ebenfalls aus: 40% der Suchanfragen nach 3D-Druckservice in Deutschland landen organisch bei trinckle (nach eigener Angabe).
Das fundierte geometrisch-mathematische Verständnis der beiden promovierten Physiker im Gründerteam gepaart mit Nerd-Faktor im Team (um unternehmerische Denkmuster schnell in smarte Algorithmen zu übersetzen), plus Florians Überzeugung, dass man «Glück erarbeiten» kann (das Loft hat er dem Vermieter abgeschwatzt, der vorher darin gewohnt hat) – und all dies in Verbindung mit einer neuartigen Technologie (von einfachen Gegenständen über komplexe mechanische Bauteile bis hin zu hochspeziellen Prothesen ist schon heute vieles druckbar) – machen in der Summe deutlich: trinckle arbeitet ganz vorne mit daran, dass für das große Puzzle der Welt die fehlenden Teile bald noch viel selbstverständlicher aus dem Drucker kommen.
[Juni 2015]