Manche kochen nur, um zu essen. Andere kochen schon innerlich vor lauter Vorfreude, wenn sie nur an die Zutaten für den Abend denken: an das frische Gemüse, die duftenden Gewürze und das edle Nusskernöl. Foodies nennt man Menschen, für die Essen viel mehr bedeutet als reine Nahrungsaufnahme. Und die gerne Rezepte ausprobieren und mit anderen teilen.
Nur mit den Rezepten war das früher so eine Sache. Manche legten eigene handgeschriebene Bücher an, sammelten ausgerissene Seiten aus Essenszeitschriften in Plastikhüllen oder bunten Ordnern, sammelten Kochbücher – die man im Urlaub (wenn man endlich mal ausgiebig Zeit zum Kochen hat) oder zu Gast bei Freunden allerdings selten dabei hat.
Social Cooking mit dem Smartphone
Zum Glück können Smartphones heute fast alles, auch zum Kochen anleiten, wenn die richtige App installiert ist. Mit der Rezepte-App und Kochcommunity Cookbooth aus Barcelona kommen die leckersten Rezepte aus aller Welt in jede Küche der Welt. Täglich kommen neue hinzu. Jeder Schritt der Zubereitung ist mit Fotos und Text beschrieben – von anderen Kochenthusiasten oder auch von Kochprofis. Das ist die Grundidee: ein weltweites Kochbuch mit Klassikern, lokalen Spezialitäten, neusten Experimenten und Omas Geheimrezepten von anno dazumal. Die App ermöglicht Köchen und Kochbegeisterten (neudeutsch: Chefs und Foodies), im Handumdrehen hochwertig aussehende Schritt-für-Schritt-Rezepte zu erstellen und mit eigenen Bildern und Texten zu versehen – eine Art Instagram für Fotorezepte.
Gründung, Launch und das Team heute
Die Coockbooth-App erschien 2013 und wurde bei Apple prompt als beste neue App gelistet, die ersten 200.000 User kamen schnell zusammen. Das Gründerteam besteht aus Kreativchef Victor Fortunado, CEO Malwine Steinbock und COO Iván Icra Salicru – dem italienischen Koch mit Erfahrung aus sechs Restaurants von London bis Dubai, darunter ein Sternerestaurant. Victor war jahrelang Kreativchef in einer Werbeagentur und Malwine hat ebenfalls in der Werbung gearbeitet: Für sehr große Marken (die man im Kühlschrank hat oder zumindest kennt) hat sie die internationale Markenkommunikation koordiniert. Bei Cookbooth ist das Budget kleiner, aber die Idee größer.
Anfangs arbeitete das Gründerteam mit externen Designern und Software-Entwicklern zusammen. Das funktionierte mal besser, mal schlechter. Auch der später angestellte CTO war technisch weniger fit, als es zunächst schien. Doch ein technologischer Cofounder gehört bei einer Gründung in der Digitalwirtschaft zu den entscheidenden Zutaten. Nur er oder sie kann das Konzept programmiertechnisch umsetzen. Es vergingen Monate, bis die richtigen Programmierer gefunden wurden.
Der Producer Aldo Guenther stieg mit Eigenkapital in die Firma ein und kümmert sich vor allem um die Produktionen von Videos und Fotorezepten, aber auch um Kunden (Köche und Marken). Hinzu kamen als Angestellte ein fitter CTO, ein Lead Developer sowie ein CFO-Freelancer für die Koch-Buchhaltung. Sprachfeinschmeckern liegt bei der Beschreibung eines solch kompetenten Teams schnell das Wort Erfolgsrezept auf der Zunge.
Ertragsmodell
Einnahmequellen von Cookbooth sind Funktionen oder Inhalte, die man in der App hinzukaufen kann. So können User zum Beispiel für sich private Rezeptlisten anlegen oder nur mit Freunden teilen. Profi-Köche können ihre Kreationen in kleinen Portionen verkaufen – iTunes für Rezepte: Bücher mit mindestens fünf Rezepten kosten drei Euro, der Zugriff auf die Fotorezepte von allen Chefs fünf Euro pro Monat. Auch können Profis gegen Bezahlung ihre Kochkunst hochwertig darstellen – eine Art LinkedIn für Köche. Und sicher deuten Rezeptsammlungen auf die Geschmacksvorlieben der User hin. Cookbooth verkauft keine Daten an Dritte. Aber dank Big Data finden relevante Inhalte bei Cookbooth eine für jeweilige Markeninhalte interessierte Leserschaft.
Finanzierung
Cookbooth hat von Enisa ein Darlehen erhalten. Das Förderprogramm der Europäischen Union hat allein 2013 und 2014 jeweils rund 100 Millionen Euro an hunderte innovative Gründer in Spanien verteilt, in unterschiedlichen Gründungsphasen: Seed Stage, Early Stage und Expansion Stage. Der Kredit von Enisa ähnelt dem Mezzanine-Kapital, einem hybriden Finanzierungsinstrument, das Eigenschaften des Eigen- und Fremdkapitals miteinander vereint. Startups wie Cookbooth müssen 50% Eigenkapital einbringen, Enisa stellt denselben Betrag als Darlehen mit einer Verzinsung von rund 4,5% zur Verfügung – das aber erst nach zwei Jahren zurückgezahlt werden muss.
Ein Wehmutstropfen war die lange Zeit, die das Gründerteam auf die Förderung warten musste: Über ein Jahr verging zwischen Antrag und tatsächlicher Auszahlung. Das Zeitrisiko sollten Gründer immer mitbedenken und nicht zu fest mit Geld rechnen, das sie ganz sicher von einer Förderinstitution erhalten würden. Die Beamtenmühlen arbeiten oft zu behäbig, um mit dem schnellen Gründungstakt Schritt halten zu können und das Bedürfnis nach schneller Liquiditätsversorgung zu erfüllen. Ein häufiges Dilemma – nicht nur in Spanien.
Spanien vs. Silicon Valley
Dank der Inlea-Stiftung, einem Accelerator für kreativ-innovative Startups, konnte Malwine ins Silicon Valley reisen und als Dreamer am Imagine Creativity Center 2014 teilnehmen. Schnell entdeckte sie die Unterschiede der Gründungslandschaften Spanien und Silicon Valley: Spanische VC-Investoren haben häufig einen gründungsfremden Wirtschaftshintergrund. Sie wissen nicht, was es bedeutet, ein Startup ins Leben zu rufen. In den USA sind die meisten VC-Investoren ehemalige Gründer und risikobereite Machertypen. Während es in Spanien schon schwer ist, 200.000 Euro Venture Capital aufzutreiben, sind Seed Rounds mit 2 Millionen US-Dollar im Valley keine Seltenheit – wenn die Idee groß genug und das Team gut genug ist.
Ausblick
Cookbooth wächst weiter, investiert ins Marketing, schließt weitere Kooperationen mit Profi-Köchen und der Marktplatz für kaufbare Rezepte wird entwickelt und bald gelauncht. Ziel der Gründer ist es, die Referenz-Plattform fürs Teilen von Kochrezepten zu werden – die erfolgreichste App, mit der Foodies und Chefs ihre Fotorezepte speichern und teilen. Wer Appetit bekommen hat, sollte sich möglichst schnell die Cookbooth-App installieren und den Kochlöffel in die Hand nehmen.
[Oktober 2014]
Fotos von David Ruiz